Empfehlungen

Gesammelte Leseempfehlungen, die den Zustand des Journalismus und die Haltung der öffentlich-rechtlichen Medien kommentieren.

Thorolf Lipp über das Gutachten des Zukunftsrats: Einengung des Meinungsspektrums

Thorolf Lipp, Vorstand der Deutschen Akademie für Fernsehen, bewertet das Gutachten des Zukunftsrats. Das achtköpfige Expertengremium war 2023 gegründet worden, um eine „langfristige Perspektive für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Akzeptanz“ zu entwickeln.

Lipp betont im Interview, dass das Gutachten eine Einengung des Meinungsspektrums deutlich mache: „Diese einseitige Wahrnehmung scheint mir ein ganz zentraler Punkt zu sein. Ich glaube für die grundlegende Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Systems ist das etwas, wo man ganz genau hingucken muss.“

„‚Linksgrün durchseucht‘ - hautnah erlebe ich, wie Menschen über ARD und ZDF denken“

Julia Ruhs, Journalistin beim Bayerischen Rundfunk und Kolumnistin für FOCUS online, beschreibt „wie es ist, auf Menschen zu treffen, die einen für eine ,linksgrün durchseuchte‘ Staatsfunkerin halten und den Glauben an die Meinungsfreiheit längst verloren haben.“

„Die Macht der Woken: Warum die Öffentlich-Rechtlichen wie Erziehungsanstalten wirken”

“Selbst schwule Männer … kritisieren die ‘Omnipräsenz von queeren Themen’ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk”, schreibt Journalist und Bestsellerautor Peter Köpf und erklärt, warum genervte ÖRR-Zuschauer bei der AfD landen.

Reformrufe aus dem journalistischen Maschinenraum

Peter Welchering, Journalist seit 1983 (u.a. Deutschlandradio, ZDF, verschiedene ARD-Sender) beschreibt die redaktionellen Veränderungen im öffentlich-rechtlichen System in den letzten Jahrzehnten:

„Wir erhalten einfach nicht mehr das Budget, um gutes Programm zu machen. Auf der politisch-publizistischen Brücke ist nicht allen, aber zu vielen Kapitänen egal, wie das Programm ihres Senders aussieht. Es muss nur irgendwas mit ‚digital‘, und ‚Social Media‘.

Gleichzeitig werden Fachautorinnen und – autoren mit ihrer hohen Expertise und teilweise langjährigen Erfahrung immer stärker durch Generalisten ersetzt. Die seien preiswerter, würden weniger selbstbewusst auftreten, sich nicht an inhaltlichen Punkten aufhalten und deshalb einfacher zu handeln, sagte mir ein Hierarch. Und auch das hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die schwerste Krise seit seiner Gründung gebracht.“

 

„Zukunft des Kulturradios: Und schon wieder zerschlagen die Öffentlich-Rechtlichen, was sie haben.“

„Der Bayerische Rundfunk will feste Programmplätze für die Kultur im Radio abschaffen. Herausragende Sendungen auf Bayern 2 sollen verschwinden. Das ist fatal für die Diskussionskultur der ganzen Republik“, urteilt Tobias Rüther, Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

„Es ist an der Zeit, dass sich der Corona-Journalismus ehrlich macht“

Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur des Cicero, über die „Selbstabschaltung des Journalismus“ während der Coronazeit:

„Noch liegt im Dunkeln, was tatsächlich im Vorfeld der sagenumwobenen Ministerpräsidentenkonferenzen mit der Kanzlerin stattfand und welche Kommunikationsflüsse es zwischen Bundeskanzleramt und ausgewählten Medien gegeben haben mag. Nur das Resultat liegt auf dem Tisch: So kommt eine bereits im Oktober 2021 vorgelegte Medienanalyse des Mainzer Medienwissenschaftlers Marcus Maurer zu dem Schluss, dass im Untersuchungszeitraum von Anfang 2020 bis April 2021 immer wieder der Grundsatz einer vielfältigen Berichterstattung außer Kraft gesetzt worden sei und dass ‚vergleichsweise selten über die negativen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen harter Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie berichtet [wurde]‘.“

Hanselle fragt sich, ob es für diese Selbstabschaltung journalistischer Standards Absprachen und Kungeleien in geschlossener Runde brauche. Oder genüge es in den meisten Fällen nicht bereits, wenn ein Journalist von publizistischem Übermut ergriffen ist, in dem er sich nicht mehr nur als neutraler Beobachter und Vermittler von Ereignissen sieht, sondern als Retter, der eine erhebliche Mitverantwortung für den weiteren Verlauf der Pandemie trägt?

„Es wird um jeden Preis vermieden, zu viel Geld für den eigentlichen Geschäftszweck auszugeben.“

Lutz Hachmeister, Medienforscher und einstiger Chef des Adolf-Grimme-Instituts, kommt zu einem vernichtenden Urteil über das öffentlich-rechtliche System im Interview mit dem Handelsblatt: „Bürokratien wollen nicht irritiert werden“. Das Ziel sei es, quotenstarke Standardformate für Fernsehen und Hörfunk beizubehalten: Im Kern gehe es um die Aufrechterhaltung von „Ruhe sanft“.

„Schlecht bezahlte Lieferanten für ein inhaltlich schlechter werdendes Programm“

In einer internen Umfrage des NDR haben Mitarbeiter ihre Bedenken über Perspektivlosigkeit, mangelnde Anerkennung und eine Mentalität des „die da oben, wir da unten“ geäußert. Insbesondere freie Mitarbeiter empfinden eine „Friss-oder-Stirb-Haltung im Sender“. 82 Prozent der Befragten gaben an, dass sie bereits darüber nachgedacht haben, den Sender zu verlassen. Dennoch unterstützt die Mehrheit die Grundidee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

„Wir müssen die große Reform wagen, jetzt“

Tom Buhrows viel beachtete Rede als „Privatmann“ im Hamburger Überseeclub zu grundlegenden Reformen des öffentlich-rechtlichen Systems: „Erstens: Wir müssen aus dem bisherigen System ausbrechen. Zweitens: Wir brauchen dafür einen Runden Tisch, der einen neuen Gesellschaftsvertrag ausarbeitet. Eine Art verfassungsgebende Versammlung für unseren neuen, gemeinnützigen Rundfunk. Drittens: Es darf an diesem Runden Tisch keine Tabus, keine Denkverbote geben. Viertens: Wenn wir uns über das Ziel einig sind, brauchen wir Zeit, um es zu erreichen. Und dann Verlässlichkeit und Sicherheit für mindestens eine Generation. Einen Generationenvertrag.“

Der auf Tom Buhrow folgende ARD-Vorsitzende und Intendant des SWR, Kai Gniffke, hat einem Runden Tisch eine Absage erteilt. Im SWR-Intranet wird er am 03.11.22 wie folgt zitiert: „Das braucht sehr viel Zeit. Um einen solchen Runden Tisch zu etablieren, müsste man die Zuständigkeit für Medienpolitik neu regeln. Das kann Jahre dauern. Diese Geduld habe ich nicht. Meine Sorge ist, dass in dieser Zeit der Reformeifer erlahmt. Wir sollten jetzt den Elan in der ARD nutzen, um gemeinsam mit unseren Aufsichtsräten mutige Reformen anzuschieben. Der künftige Medienstaatsvertrag gibt die dafür notwendigen Spielräume.“

Anmerkung Meinungsvielfalt.Jetzt: Wo ein Wille, ist auch ein Weg. Die Deutsche Akademie für Fernsehen empfiehlt ein umfangreiches Beteiligungsverfahren. Es sieht vor, in einem Medienkonvent alle relevanten Initiativen einzubinden, die seit geraumer Zeit Reformen im ÖRR einfordern. Ein losbasierter Bürgerrat ist ebenfalls Teil des Prozesses.  

4,6 Millionen Euro für Pension der Intendantin

4,6 Mio € muss der MDR für die Pension seiner Intendantin Karola Wille aufbringen, das entspricht einer Rente von 19.000 € - pro Monat. Doch Wille ist bei weitem nicht die einzige mit einem exorbitanten Gehalt.