Im März 2020 bekam ich den Auftrag, eine Hörfunk-Reportage mit Reaktionen aus der Kulturbranche auf den bevorstehenden Lockdown zu machen.

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ARD-Anstalten

Ich sprach damals mit verschiedenen Akteuren aus der Szene. Keiner war erfreut darüber, nun nicht mehr als Veranstalter, Schauspieler, Tontechniker oder Musiker arbeiten zu können. Aber alle waren mit den Maßnahmen einverstanden. Mit einer Ausnahme. Ein britischer Musiker verwies auf den Freiheitsauftrag seiner Kunst einerseits, andererseits auf die Vielfalt der Perspektiven: Macht es Sinn, sich auf eine Interpretation, eine Prognose, eine Sichtweise zu konzentrieren? Und wie steht es um deren Wahrheitsgehalt?

Diesen Standpunkt fand ich erwähnenswert, denn er deckt sich ja mit dem Auftrag des Journalisten, stets die verschiedenen Sichtweisen, Interpretationen und Interessen aufzuzeigen und zu hinterfragen.

Der Redakteur der Sendung fand den Standpunkt auch wichtig, bat mich aber trotzdem, die betreffende Stelle rauszustreichen. Das würde ihm Scherereien mit seinen Vorgesetzten ersparen.

Zensur, vorauseilender Gehorsam, Feigheit oder die weise Voraussicht, einen Kampf nicht anzuzetteln, den man sowieso nicht gewinnen kann?

Wir haben lange über den redaktionellen Eingriff diskutiert. Einverstanden war ich nicht, aber ich habe ihn am Ende doch akzeptiert. In den Telefonaten mit dem Redakteur - den ich nach wie vor sehr schätze - habe ich herausgehört, dass unterschiedliche Sichtweisen überhaupt nicht erwünscht seien. Inhaltlich könne man sich an dem ausrichten, was Christian Drosten publiziert. Dass andere Experten die Einlassungen des Virologen kritisch sehen, sei zwar eigentlich wichtig zu wissen, man könne es aber für sich behalten.

Die Telefonate mit dem Redakteur fühlten sich an wie ein Krieg, in dem wir beide von einem unsichtbaren Gegner umstellt sind. Im Flüsterton erklärte er mir, dass er sich kaum noch traue, „mit irgendjemandem über irgendetwas“ zu reden. Diese Erfahrung habe ich auch im Gespräch mit den wenigen anderen Kollegen gemacht, mit denen man noch offen sprechen konnte. Es war, als wären die öffentlich-rechtlichen Sender von innen mit Watte ausgekleidet, die alles erstickt, was von außen an sie herangetragen wird: jedes offene Gespräch, jede Diskussion, jeden neuen Gedanken, jede Alternative.

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